26.11.2014 - Der stellvertretender Leiter der Bundesbankfiliale in Dortmund referierte vor angehenden Kauffrauen/Kaufmännern für Versicherungen und Finanzen am Robert-Schuman-Berufskolleg über Instrumente der Geldpolitik der EZB und aktuelle Herausforderungen der Währungshüter.
Die Auszubildenden erfuhren in einem 90-minütigen Vortrag, was Geld ist und welche Funktionen es in der Wirtschaft hat. Herr Martin erörterte die Zusammenhänge zwischen Geldschöpfung und Inflation – das Papiergeldsystem beruhe auf dem Vertrauen der Wirtschaftssubjekte in die Werthaltigkeit des an sich wertlosen Papiergeldes. Die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik sei dabei zentral. Ein Geldschein aus der Zeit der Hyperinflation.
Die wichtigste Voraussetzung für diese Glaubwürdigkeit ist die Unabhängigkeit der Zentralbank von der Politik. Durch den Aufbau des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) werde diese Unabhängigkeit hergestellt. Herr Martin erörterte, wie im Direktorium der EZB und im Rat der EZB Entscheidungen gefällt werden.
Im Anschluss stellte Herr Martin seinen Zuhörern das geldpolitische Instrumentarium der EZB vor. Die Geldpolitik beinhaltet alle zinspolitischen Maßnahmen, die dazu geeignet sind, Wachstum, Währungsstabilität und Beschäftigung zu sichern. Exemplarisch griff Bernd Martin den Hauptrefinanzierungssatz heraus, um gemeinsam mit den Schülern die Versorgung der Geschäftsbanken mit Liquidität über den Zins- bzw. Mengentender durchzuspielen.
Schließlich gelangte Herr Martin in seinem Vortrag zur aktuellen Situation – der Geldpolitik in der Krise. Das gegenwärtige Problem liegt in der Verschuldung vieler europäischer Länder, vor allem in Südeuropa. Zur Abzahlung der Schulden wird neue Liquidität benötigt, dadurch werden die Märkte mit Liquidität geflutet. Dies führe zwangsläufig zu einer Inflation. Die Ausweitung der Geldmenge birgt Gefahren – um die Effekte einer Geldmengenausweitung zu erfassen, bedient sich die EZB einer Monte-Carlo-Simulation. Stochastische Verfahren, die im Spielcasino funktionieren, können auch für die Wirtschaft brauchbare Ergebnisse erzielen.
Mittlerweile sind die Zinsen im Hauptrefinanzierungssatz nahe Null, für Einlagen bei der EZB werden sogar Negativzinsen erhoben. Die EZB verwendet unter anderem die Offenmarktgeschäfte, um dem Markt Liquidität zuzuführen. Dabei erwirbt die EZB direkt Staatsanleihen. Diese OMT-Geschäfte (Outright Monetary Transactions) werden kritisch betrachtet.
Herr Martin erläutert die Auswirkungen der Inflation auf die Kaufkraft.Die EZB darf Staaten wegen ihrer Unabhängigkeit nicht direkt finanzieren, dies ist im EZB-Statut geregelt. Dieses Programm ist zurzeit gestoppt, es ist eine Klage vor dem Europäischen Verfassungsgerichtshof anhängig. Das OMT-Programm dient zur Rettung eines in Schieflage geratenen Mitgliedslandes der Eurozone. Problematisch sei in jedem Fall die Flutung der Märkte mit Liquidität, so Martin.
Herr Martin verabschiedete sich nach spannenden 90 Minuten. Die Schüler waren begeistert, trockene VWL einmal aus dem Munde eines berufenen Praktikers zu erfahren. Zudem verloste Herr Martin 10.000 € in einem kleinen Quiz – einziger Wermutstropfen, das Geld war kleingehäckselt. Die Versicherungsabteilung bedankt sich bei Herrn Martin und hofft darauf, ihn im nächsten Jahr wieder begrüßen zu dürfen.
M. L. für den Bildungsgang Kaufmann/-frau für Versicherungen und Finanzen